Auf dem Prüfstand

Ein solches Horrorszenario stellen sich viele mittlerweile vor, wenn sie an den Alltag in deutschen Schulen denken. Die Realität sieht zum Glück immer noch anders aus.

Lippstadt – Verhaltensauffällige und renitente Schülerinnen und Schüler, die stören, ihren Lehrkräften das Leben schwer machen und gar keine Lust mehr darauf haben, überhaupt etwas zu lernen; Jugendliche, die nur noch in sozialen Medien unterwegs sind und kein zivilisiertes Miteinander mehr kennen; Chaos, Lärm, Konflikte – so stellen sich viele mittlerweile den Alltag an Schulen vor und schwärmen von den alten Zeiten voller Disziplin, Fleiß und Ordnung.

Doch hat sich das Verhalten von Schülerinnen und Schülern am Lippstädter Ostendorf-Gymnasium in den letzten Jahren tatsächlich auffällig verändert? Und wenn ja, wie? Wir sind dieser Frage nachgegangen und haben zwei unserer Lehrerinnen und Lehrer gefragt, die die Schule schon seit Jahren kennen.

Haben sich die Schülerinnen und Schüler ihrer Meinung nach ins Positive oder ins Negative verändert?

Losse: Es gibt immer bestimmte Strömungen. Ich bin ja schon lange an der Schule, seit 1999, und man kann bestimmte Schülergruppen schon immer ausmachen oder einzelne Schüler, die schon auffällig sind, aber ich kann das jetzt nicht generell sagen über diesen Zeitraum sagen, dass es da eine positive oder negative Entwicklung gibt. Als Ursache ist vielleicht auch die Digitalisierung zu sehen, dass Schüler da viel in den sozialen Medien unterwegs sind und dass sich so ein Sprachwandel im Prinzip abgezeichnet hat über die Jahre, also ein bestimmtes Set an Vokabeln und auch Sprachmustern, die ich eigentlich eher negativ sehe.

Cruse: Also meine Wahrnehmung ist, dass in den letzten 20 Jahren das Verhalten gegenüber Lehrern eher angenehmer geworden ist. Auf keinen Fall weniger respektvoll. Was ich schon wahrnehme, ist, dass sich manchmal Äußerungen von einem Schüler zu einem anderen Schüler verändern und man dann das Bedürfnis hat, nochmal ein bisschen Rücksprache mit dem zu halten, der die Äußerung gemacht hat, und zu erklären, wie man sich vielleicht gegenüber Mitschülern etwas anders ausdrücken könnte, etwas respektvoller.

Haben Sie Vermutungen, warum sich das Verhalten der Schüler verändert hat?

Cruse: Ich könnte mir vorstellen, dass das Verhalten der Schüler untereinander beeinflusst wird durch manche Äußerungen von Influencern in sozialen Netzwerken.

Sie denken also, dass die sozialen Medien mit den Verhaltensänderungen der Schüler zu tun haben?

Cruse: Teilweise ja. Zumal das Konsumieren von den sozialen Netzwerken immer Lebenszeit der Schüler in Anspruch nimmt und dann natürlich auch im Erfahrungsschatz der Schüler einen größeren Raum einnimmt.

Denken Sie, dass sich das Verhalten der Schüler durch die Corona-Pandemie verändert hat?

Losse: Also ich hab es so am Anfang gemerkt in den Klassen, als wir wieder zurückkamen, dass doch sehr viel Unruhe war, weil das Mitteilungsbedürfnis sehr groß war. Es gab ja keinen direkten Austausch, sondern auch nur übers iPad, und teilweise ist es natürlich auch so, wenn man seine Freunde lange nicht sieht.

Es bilden sich neue Gruppen. Die Schüler müssen auch in der Klasse erstmal wieder einen festen Platz finden: wo sind sie?, stehen noch die alten Freundschaften oder bauen sich neue auf? Das merkt man schon oder hat man gemerkt.

Cruse: Ja, die Schüler sind in ihrem Verhalten unsicherer geworden, weil ihnen ungefähr zwei Jahre fehlen, in denen sie das Verhalten gegenüber Gleichaltrigen trainieren konnten. Insofern denke ich aber auch, dass es sich in der nächsten Zeit wieder ausgleichen wird.

Von Erina Xhafa, Mohammed-Ali Soueidan, Malk Abdelsamad, Jelena Radi? Klasse 8b, Ostendorf-Gymnasium